Italien #1: WeinGut & MautSchlecht

Italien #1: WeinGut & MautSchlecht

Die Sonnenstrahlen im Gesicht, sitzen wir im Stahlkleid des Kombinationswagens mit 202.000 KM Laufleistung der Marke BMW und lauschen den kleinen Explosionen aus dem Motorraum, welche die Maschine durch Verbrennungen von fossilen Ressourcen am Leben hält. Gekonnt betätige ich den elektrischen Fensterheber, vermische die kühle Klimaanlagenluft mit der warmen Außenwelt und führe das Mautticket in den modern wirkenden Automaten. 16,75 EUR werden für den Autobahnabschnitt veranschlagt. Anstatt wie gewohnt digital per NFC mit dem iPhone zu bezahlen, füttere ich die italienische Bestie mit einem hart verdienten Fünfzigeuroschein.

Ein fataler Fehler.

SW: Die Schranke bleibt unten.

SH: Drück nochmal auf den Knopf.

„Servizio clienti, cosa posso fare per te?“

SW: … die Ansage ändert sich nicht.

SH: Nochmal!

„Servizio clienti, cosa posso fare per te?“

SW: Ja, Zwenni hier, ihr Automat hat meinen Fünziger verschluckt und gibt keine scheiß 34 EURO Wechselgeld raus.

SW: Das bringt nichts…

SH: Einmal noch!

„Servizio clienti, cosa posso fare per te?“

SW: Die Schranke ist auf!

SH: Und das Restgeld?

SW: Was wollen wir machen, nicht dass die gleich wieder zu geht.

Zuvor…

Google Maps hatte für die Fahrt von Hannover auf das Weingut ca. 11 Stunden und 30 Minuten veranschlagt. Losgehen sollte es um 01 Uhr morgens, um Stau zu vermeiden. Die Fahrräder haben wir – genau wie in Dänemark – recht bequem in mein Auto bekommen. Die vorgepackten Taschen ergaben genug Puffer, sodass alles heile angekommen war.

Packliste

Ohne zu sehr auf die Packliste einzugehen: Wir haben nicht zum ersten Mal eine Bikepacking-Reise unternommen. Dennoch muss man immer wieder gut organisiert sein und im besten Fall nichts vergessen. Bei allen Utensilien muss man abwägen zwischen Platz, Gewicht und Preis. Der finanzielle Rahmen ist natürlich in der Regel mit am ausschlaggebendsten, aber auch der günstigste Schlafsack bringt einen nicht weiter, wenn er 5 Kilo wiegt und so viel Platz einnimmt, dass man ihn nicht mehr am Fahrrad verstauen kann. Bei entsprechender Pflege hält ein hochwertiges Zelt, Schlafsack und Luftmatratze aber auch angemessen lang, so dass es sich auf lange Sicht rentiert, die Wirtschaft anzukurbeln.

Auszug der Packliste

Pfadfinder und Mindset

Nachdem im letzten Jahr das Brainstorming sehr schnell zu Ende gegangen war, wo wir 2024 hinfahren (SH: „Ich will nach I-TA-LI-EN!“) habe ich mich als Navigator in unserem 2-Personen-Team dran gemacht, mögliche Strecken in Italien aufzubauen.

Wer uns kennt: Natürlich wollen wir auf unseren Reisen etwas „sehen“. Aber eher im…vorbeifliegen 🙂 Der Weg ist das Ziel und es geht primär um’s Fahren. Morgens lassen wir uns in der Regel nach dem Aufstehen etwas Zeit, bauen in Ruhe die Zelte ab, haben im besten Fall eine Stadt in wenigen Kilometern Entfernung um ein Frühstück und Toilette zu genießen, um dann vor dem Mittag loszufahren. Veranschlagt man eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 KM/h kommen wir bei 5 Stunden Nettofahrzeit ca. 100 KM weit. Addieren wir 1,2,3,4 Pausen ist der Tag gut gefüllt und so passt es meistens sehr gut. Das Ganze hängt aber auch vom Fahrrad, dem Untergrund und den Höhenmetern ab. Privat fahre ich sehr gerne mit meinem ultraleichten Rennrad auf den Brocken oder auf andere Berge. Auf Reisen muss ich das mit dem Gewicht nicht unbedingt jeden Tag haben. Und so ergab sich eine tolle, bis auf einen Tag flache Route durch den östlichen Teil Norditaliens mit vorwiegend Asphalt, mittlerem Schotter und wenigen Feldwegen. Perfekt für unsere Gravelbikes.

Den letzten Teil durch Verona, zurück zum Weingut habe ich nicht aufgenommen.

Mein Fahrradnavi (Wahoo ELEMNT Bolt V2, seeeehr zu empfehlen!) ist mit Komoot verknüpft und diente uns wie immer als Navigator. Gerade das Re-Routing, wenn man aus Gründen die Route vor Ort anders fährt, ist super angenehm.

Abfahrt!

Die Autofahrt war dankenswerterweise sehr entspannt. Um 01 Uhr morgens ist Sascha als erster von uns beiden gestartet. Nach 5 Stunden mehr oder weniger erholsamen Schlaf hatte ich ihn dann abgelöst. Letztlich sind 10h statt 11.5 Stunden verstrichen, als wir im strahlenden Sonnenschein auf das (überraschend kleine) Weingut gefahren sind. https://www.agricolacastellani.it/de

Bella Italia

Wenn man jemanden nur aus einer einzigen E-Mail kennt, und dieser jemand einem im zweiten Satz, nach dem „Hi, na wie geht’s?“ danach fragt, ob man seinen Autoschlüssel für die Zeit abgeben könnte, ist man … überrascht. Ich war es jedenfalls 🙂 Aber der Grund, dass Falls ein größerer Bus mit Touristen ankommt und mein Auto ggf. einmal umgeparkt werden müsste, klang dann doch realistisch. Und, hey, er vertraute uns, wir vertrauten ihm, das passte schon.


Und so bauten wir unsere Fahrräder auf, wurden von den Besuchern während ihrer Weinprobe bestaunt, montierten alle Taschen und… ja…was eigentlich? Eigentlich war geplant, nach den vielen Stunden Autofahrt den Rest des Tages auf dem Weingut zu verbringen, dort zu zelten und am nächsten Morgen zu starten. Aber, wenn man gerade schon so schön alles bei 32 Grad aufgebaut hat, kann man doch auch schonmal losfahren und schauen wo man landet und dort irgendwo schlafen? Das war doch die Idee der Reise? Gesagt getan 🙂

Und, es hatte sich gelohnt. Ungeplant sind wir 77 KM im strahlenden Sonnenschein gefahren. Zunächst noch am sehr touristischen Garda See (es hat mir ehrlicherweise dort nicht gefallen), entlang am türkisfarbenen Fluss Mincio (leider kommt es auf den Fotos nicht so farbenfroh rüber wie es wirklich war). Die genaue Route haben wir Live etwas verändert, weil es eine sehr tolle Alternative, den Radweg Velo7 gab. Link: https://de.eurovelo.com/ev7

Unterwegs haben wir diverse Pausen gemacht. Unter anderem in einem sehr nett im Wald gelegenen Bistro am Fluss.

Gegen Abend sind wir in Mantua angekommen. Dort haben wir an einem großen See Pinsa (Pizza ist in Italien out!) gegessen und uns an einem der zahlreichen öffentlichen Wasserstellen vor allen Leuten die Sonnencreme abgespült.

Anschließend ging es zum ersten Mal darum: Wo schlafen wir heute nacht? Die Stadt war recht groß, innerhalb konnten wir also nicht unsere Zelte aufbauen. Da bald (21 Uhr) die Sonne untergehen sollte, mussten wir also wieder raus aus der Stadt.

Plötzlich kommen aus dem Gebüsch ein mit nacktem Oberkörper fahrender Bikepacker und sein Companion geschossen. „Hey na, where do you den wanna go? Istanbul? wow! Jes jes, germany“. Kleiner Spaß, so schlimm war es nicht, wir konnten mit den Beiden super auf Englisch quatschen. Beides Italiener auf dem Weg nach Istanbul, Türkei. Dagegen ist unser Loop eine kleine Spazierfahrt gewesen. Nach einem sehr angenehmen Plausch über unser tolles Equipment und deren weit entferntes Ziel haben wir uns verabschiedet.

Etwas außerhalb sind wir dann in einer Art äußeren Stadtgarten auf ein nettes Plätzchen gestoßen, an welchem nur vereinzelt Fahrradfahrer vorbeigefahren sind. Nach dem Aufbau der Zelte sind wir in Sekunden eingeschlafen und Sascha ist erst Nachts durch eine Sirene wieder aufgewacht. Doch, ob die Carabinieri etwas gegen unser recht öffentliches Lager hatte, oder sich jemand einen Spaß erlaubt hatte, wissen wir leider bis heute nicht.

Lesen sie bald:

Frühstück auf dem Spielplatz und Katzenwäsche am Straßenrand: In der Heißluftfriteuse nach Ferrara.

Teil 2: https://reisen.svenwindhorst.de/2024/07/08/italien-2-umlufthitze-am-po/

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