Niederlande #4: Dem Ziel so nah

Niederlande #4: Dem Ziel so nah

De Hinde hinter uns lassend, starteten wir wehmütig die letzte Etappe unserer wundervollen Reise. Mein Auge hatte sich in der Zwischenzeit auch wieder beruhigt. Ob es eine allergische Reaktion auf die Sonnencreme oder bestimmte Gräser-Pollen war, kann ich leider nur raten.

Wenn man auf einer Reise so viel Zeit gemeinsam verbringt, lernt man sich automatisch besser kennen als vor der ersten Pedalumdrehung es eh der Fall war. Wir haben geredet. Viel sogar. Und wir haben geschwiegen. Letzteres relativ wenig, aber auch diese Phasen sind wichtig gewesen.

Aber weiter im Ablauf. Nachdem wir uns Äpfel für den ersten Hunger aus dem Hofladen erworben, und ein kurzes Kettcar-Rennen abgehalten hatten, ging die Fahrt weiter. Zunächst mussten wir Frühstücken. Wir hatten vor, dies in der nächst größeren Stadt, Lelystad zu erledigen.

Nun muss man wissen, dass ich – entgegen dem vorherigen Jahr – in den letzten Monaten eher im Bereich Krafttraining und weniger im Ausdauersport zu Hause bin. Mit einem recht großen Kalorienüberschuss am Tag. Ich hatte also Hunger, und das viel. Und wenn ich Hunger habe, kann ich auch mal etwas … fuchtig … werden.
Und so kamen wir in Lelystad an und schoben mit leeren Mägen die Räder durch den überfüllten Wochenmarkt. Hier gab es vieles, aber so richtig zugesagt hatte uns nichts und eine Entscheidung, wo wir denn nun frühstücken würden, wollte auch keiner von uns beiden treffen. Meine Stimmung wurde von Minute zu Minute angespannter. Also zückten wir unsere Handys und hatten eine „Bäckerei“ „am Wasser“ per google maps auserwählt und machten uns auf den Weg.
Geheimtipp: Lasst es sein, einhändig mit schwer beladenem Lenker das Fahrrad zu steuern, während ihr mit der anderen Hand versucht, das Handy zu halten. Es wird herunterfallen.

„Sir, you can not take your bikes in there!“
„Ja ok but wir wollen doch was breakfasten?!“

Da standen wir also. Hungrig für Vier. Vor dem Batavia Stad Fashion Outlet, am Wasser. Und irgendwo da drinnen war unsere Frühstücks-Oase. Dem Ziel so nah und doch so fern, zogen wir von dannen. Das hatten wir uns doch eher etwas mehr im Stile einer Postkarten-Idylle vorgestellt. Auf der anderen Seite des Paradieses für Jack Wolfskin und Tommy Hilfiger-Fans fanden wir dann zumindest einen Dunkin‘ Donuts. Geht besser. Geht schlechter. Vor allem: Billiger!

NL #4.1: Plünderung in Suriname

Irgendwann geht unterwegs das Wasser zur Neige. In Dänemark am zweiten Tag noch ein größeres Problem, war es in den Niederlanden meistens keine Herausforderung, wenn rechtzeitig eine Tankstelle, Kiosk oder Shop angesteuert wird. Ungefähr auf der Hälfte der Strecke in Richtung Amsterdam sind wir durch Almere Buiten gefahren. Eine sehr schöne, mittelgroße Stadt mit vielen Villen in verschiedensten Ausprägungen direkt am Wasser.
Kurz vor dem Ortsausgang sind wir durch ein mutmaßliches Multikulti-Viertel gefahren. Etwas unscheinbar, nur an einer „Ausländischen“ Flagge zu erkennen, befand sich eine Art Kiosk mit Paket An- und Abgabe im Erdgeschoss eines Mehrparteien-Hauses. Den freundlichen Besitzer nett grüßend, plünderte ich seinen Kühlschrank und bezahlte Drahtlos mit meinem Handy. Where are you from? Hannover?! Germany?! You are kidding me! Nope we did not. Dies ist nur eines von unzähligen netten, kurzen, sympathischen Gesprächen, woher wir denn kommen würden und wohin wir wollen. Da er selbst ein People of Color war, haben wir uns draussen gefragt, woher wohl die Flagge und wahrscheinlich er herkommt. Senegal, Domrep? Wir wussten es nicht. Also ging ich wieder rein und habe ihn gefragt. Erst verstand ich „Syrien“, was mir aber schon falsch vorkam. Er hatte es dann ins Handy getippt: „Suriname“ in Südamerika direkt neben Französisch-Guinea. „Thats aber auch nich gleich um die Ecke?!“ er lachte und wir fuhren weiter. Nett, die niederländischen Surinamea.

Anschließend fuhren wir weiter und wurden mit jedem Kilometer ruhiger. Das Ziel war zum greifen nah und dennoch wurden wir etwas traurig. Wir wären so gerne einfach weiter gefahren.

Und schon waren wir angekommen.

Und was macht man als guter Sorge-Berechtigter direkt nach der Ankunft? Man fährt instant in das Stadtzentrum, lässt sich von unzähligen Touristen bestaunen und kauft seinem Sohn ein Fussball-Trikot 🙂 So viel Zeit muss sein.

Anschließend sind wir noch etwas durch die Stadt gerollt um gegen späten Nachmittag in unserem Hotel (van der Valk), etwas außerhalb einzuchecken. Optisch machte das Hotel einen sehr guten Eindruck und stellte einen starken Kontrast zu unseren vorherigen Übernachtungen dar.

Wir haben extra ein Hotel mit Tiefgarage ausgesucht.

NL #4.1: Staudamm am Beckensee

Als gute Deutsche hatten wir ca. 10 Minuten nach der Zimmerbegehung zum Hörer gegriffen und zum zweiten Mal „Hallo“ gesagt: „ja ruhm number five sirteen hier, the wasser im bad does not drain – jaja einer soll kommen, kk thx bye“. Kurze Zeit später klopfte es an der Tür. „Yes come in!“ … nothing happened also habe ich die Tür geöffnet. Mit Vergrößerung des Öffnungswinkels kam immer mehr ein strahlender, leicht schwitziger Mid-Dreissiger ins Bild. Mit der linken Hand wedelte er engagiert mit einem Pümpel, und ich muss kurz den Kopf schütteln, meine Gedanken sortieren, um zu vergessen, dass er Ähnlichkeit mit einem gewissen Schaumi-Franzosen hat.
Zurück im Wohnbereich quatschten Sascha und ich weiter, während der Mitarbeiter motiviert zu Werke ging. Aus dem Badezimmerwaschbecken erreichten uns die wildesten Saug- und Pumpgeräusche, bevor er mit seinem Kopf schräg in den Wohnbereich linste, um uns mitzuteilen, „that the water is draining better now, but the sink needs to be replaced tomorrow – ok? Sorry bye then!“ Ja, danke, ‚tschau. Das Wasser steht wahrscheinlich jetzt noch im Becken, aber was soll‘s.


Ein paar weite Eindrücke des Tages:

Lesen Sie bald: Ein Ende mit Schrecken oder ein Schrecken ohne Ende?

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